Kriegsdrama "Patton - Rebell in Uniform"
29:40 Minuten
Von Jürgen Kalwa |
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Sieben Oscars räumte "Patton - Rebell in Uniform" bei der Oscar-Verleihung 1971 ab. Der Film hat Geschichte geschrieben: als Wendepunkt in der Entwicklung des US-Kriegsfilms. Und als erster Hollywoodfilm, dessen Hauptdarsteller einen Oscar nicht annahm.
15. April 1971. Es ist später Nachmittag, als Hollywoods Crème de la Crème im Zentrum von Los Angeles vorfährt. Live dabei viele TV-Stationen. Auch der US-Fernsehsender NBC.
Die Übertragung vom Glamour-Event des Jahres, der 43. Verleihung der Oscars, gibt an diesem Tag allerdings nur die halbe Wahrheit wieder. Denn hinter den Kulissen der Filmindustrie herrscht damals eine gedämpfte Stimmung. Die Traumfabrik befindet sich in einer finanziellen Krise, weil der anhaltende Rückgang der Zuschauerzahlen dramatische Ausmaße erreicht hat. Den alteingesessenen Studios fehlt es an kreativen Ideen, um ein jüngeres Publikum zu erreichen. So müssen Produktionsfirmen Mitarbeiter entlassen und kämpfen gegen den Konkurs.
Der Gemütszustand bei vielen US-Bürgern ist nicht viel besser. Im dritten Jahr der Präsidentschaft von Richard Nixon kämpfen Anfang der 70er-Jahre noch immer Zehntausende GIs in Vietnam. Dabei lehnt eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung diesen Krieg längst ab.
Krieg – ein großes Thema bei der 43. Oscarverleihung
Umso bemerkenswerter, dass bei der Oscarverleihung gleich zwei Filme hoch im Kurs stehen, die sich an diese schwierige Thematik herangewagt haben. Der eine: M*A*S*H, eine schwarze Komödie über den Koreakrieg knapp zwanzig Jahre zuvor, eine grelle Karikatur des US-amerikanischen Militäralltags.
Der andere: ein fast drei Stunden langes Leinwandepos über einen der berühmtesten Generäle des Landes. Ein Biopic über einen manischen Truppenführer und narzisstischen Selbstdarsteller, politischen Querkopf und Soldatenantreiber, kultiviert und belesen und gleichzeitig voller innerer Widersprüche. Ein Mann, der zu diesem Zeitpunkt schon 25 Jahre tot ist, dessen militärische Erfolge im Kampf gegen Nazideutschland ihn jedoch zu einer legendären Figur gemacht haben.
Dieser Film ist es, dem an diesem Abend die meisten Sympathien zufliegen. Und der Oscars in sieben Kategorien gewinnt.
Weil weder Regisseur Franklin Schaffner, Drehbuchautor Francis Ford Coppola noch Hauptdarsteller George C. Scott anwesend sind, nimmt Schauspieler Karl Malden einen der Oscars für "Patton" an.© picture alliance / UPI
Für das beste Drehbuch:
"The winner is Francis Ford Coppola and Edmund H. North for Patton…"
Die beste Regie:
"The winner is Franklin James Schaffner for Patton…"
Den besten Film:
"The winner is Patton. Frank McCarthy."
Und am denkwürdigsten in der Kategorie bester männlicher Hauptdarsteller.
"Can’t wait, Oh, my God. The winner is George C. Scott."
Als erster Hollywood-Schauspieler lehnt George C. Scott den Oscar ab
Weder Coppola noch Schaffner sind im Saal, weil sie gerade an anderen Projekten arbeiten. Dass aber auch Hauptdarsteller George C. Scott an diesem Abend fehlt, hat einen anderen Grund. Scott hält nichts von diesen Ehrungen der Filmbranche und hatte bereits vorab verkündet – als erster Hollywood-Schauspieler überhaupt –, er werde die Auszeichnung nicht annehmen.
Weshalb, erklärt er Jahre später mürrisch in einem seiner seltenen Fernsehinterviews:
"Ich wollte einfach nie irgendetwas mit diesem Teil des Geschäfts zu tun haben. Anonymität hat auch etwas Gutes. Man wird vom Publikum und den Medien doch nur als Sache betrachtet. Und nicht als kreative Kraft oder als künstlerisches Talent."
Trotz seiner ablehnenden Haltung steigt damals der Respekt vor seinem Können. Warum? Eddie Kehler, einer der Vorstandsmitglieder des "Actors Studio", einer namhaften Schauspielschule, die seit den Fünfzigerjahren in New York und Los Angeles jungen Talenten die Technik des sogenannten "Method Acting" vermittelt:
"George C. Scott ist der Film. Er trägt den Film. Seine Leistung geht über das bloße Spielen einer Rolle hinaus. Ich kann mir ehrlich gesagt keinen anderen in diesem Part vorstellen. Diese Energie, sein Charisma, sein brennendes Verlangen, diese Rolle zu spielen, hebt den Film als Ganzes aus so vielen anderen heraus."
Vor allem mit seiner Mimik und mit seiner Stimme, die dem Original-Patton eine markante Patina aus Getriebenheit und Pathos verpasst. Er klingt rauer, kämpferischer, hochfahrender, ja sogar noch selbstgefälliger als der echte Patton.
Etwa in seiner Ansprache in der ersten Filmszene:
"Ich möchte, dass ihr immer daran denkt, dass kein Scheißkerl jemals einen Krieg gewonnen hat, indem er für sein Land gestorben ist. Er hat ihn gewonnen, indem er den anderen armen, dummen Scheißkerl dazu gebracht hat, für sein Land zu sterben. Dass Amerika nicht kämpfen will, dass es sich aus dem Krieg heraushalten will, ist ein Haufen Pferdemist. Amerikaner haben es schon immer geliebt, zu kämpfen. Sie lieben Gewinner und dulden keine Verlierer. Deshalb haben Amerikaner noch nie einen Krieg verloren und werden auch nie einen verlieren. Denn allein der Gedanke zu verlieren, ist Amerikanern verhasst."
Nicht wenige sehen in "Patton" einen Anti-Kriegsfilm
Trotz solch patriotischer Phrasen produziert der fast dreistündige Film bei vielen Zuschauern einen gegenteiligen Effekt. Die historisch verbriefte Selbststilisierung des echten Patton wird von ihm so überzeichnet, dass seine ganze Widersprüchlichkeit zutage tritt. Nicht wenige interpretieren deshalb das fertige Werk sogar als Anti-Kriegsfilm und finden gerade das an ihm so gut.
Ganz im Sinne von Drehbuchautor Edmund North, der bei der Oscar-Verleihung sagt:
"Wenn ich ein Wort zum Film sagen darf: Ich hoffe, dass Patton nicht nur als Kriegsfilm betrachtet wird, sondern auch als Friedensfilm."
Vermutlich ist er beides in einem und wird deshalb in der Zeit des Vietnamkriegs zu einem Prototyp für den differenzierten Umgang mit dem Thema Krieg, dem schwierigsten Stoff von allen.
"Der Film ist ein Rorschach-Test. Er verrät dir ganz unabhängig von seinem Inhalt mehr über das Publikum", sagt der Historiker Nicholas Sarantakes, Professor am Naval War College in Newport/Rhode Island, Autor des Buchs "Making Patton", das die ungewöhnlich lange Entstehungsgeschichte nachzeichnet. Die Zuschauer würden genau das aus dem Film herauslesen, was ihrer vorgefassten Meinung entspreche. Sarantakes fand im Archiv des Produzenten Frank McCarthy Lobeshymnen aus beiden Richtungen. Sowohl von Kriegsgegnern als auch von Anhängern des Militärs.
"Patton" als Wendepunkt in der US-Kriegsfilmgeschichte
Carrie Specht, Professorin für Film und Fernsehen an der La-Sierra-Universität im kalifornischen Riverdale, gefällt gerade das an dem Film besonders:
"Krieg schafft Zwiespälte. Das demonstriert der Film mit Elementen, die deutlich zeigen, dass Krieg sinnlos ist. Und mit den Momenten, die Krieg verherrlichen. Man muss ein guter Filmemacher sein, um diese Herausforderung nicht zu vermasseln. Man muss jemanden haben, der dafür sorgt, dass dieser Zwiespalt durchkommt. Das war doch im Leben von Patton auch so. Da gab es einerseits Glorifizierung und andererseits seine vielen Fehler."
Erst der Erfolg von "Patton" öffnet vielen Hollywood-Verantwortlichen die Augen. In den Jahrzehnten davor verarbeitet die Filmindustrie den historischen Stoff aus dem Zweiten Weltkrieg am liebsten zu reinen Actionspektakeln mit simpel gestrickten Helden. Die Begeisterung für "Patton" räumt den Weg für andere dramatische Konzepte im Segment des Kriegsfilms frei, sagt Carrie Specht:
"Danach bekommen wir Filme wie ‚Coming Home‘, der ist eindeutig gegen Krieg. Dann ‚Deer Hunter‘. Und in den Achtzigerjahren so etwas wie ‚Platoon‘."
Nicht zu vergessen Produktionen wie "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola und später "Der Soldat James Ryan" von Steven Spielberg. Jeder der beiden ist auf seine Weise eine Abrechnung mit den psychologischen Folgen von Krieg auf Soldaten.
"Patton" liefert das Modell für die manische und hässliche Seite des Milieus. Und dafür, wie man die Essenz des Lebens einer berühmten Persönlichkeit auf der Leinwand geschickt verdichtet. Der Historiker Nicholas Sarantakes sagt:
"Meiner Meinung nach hat ‚Patton‘ einen sehr starken Einfluss auf spätere biografische Filme. Denn die Macher beschäftigen sich nur mit zwei Jahren aus dem Leben von Patton. Niemand interessiert sich nämlich wirklich dafür, wie er aufwuchs."
Wichtiger und aufschlussreicher sind für die Filmemacher andere Details bei Patton. Etwa die Szene eines Lazarettbesuchs: Darin ohrfeigt Patton einen Soldaten, der unter einem schweren Kriegstrauma leidet.
Soldat: "Es sind die Nerven, Sir. Ich kann dieses Geschützfeuer nicht mehr ertragen."
Scott: "Deine Nerven? Verdammt, du bist einfach nur ein gottverdammter Feigling. Schmeißt diesen feigen Bastard raus. Wir wollen nicht, dass Hurensöhne, die Angst haben zu kämpfen, diesen Ort der Ehre beschmutzen. Du gehst zurück an die Front, mein Freund. Da wirst du vielleicht angeschossen oder getötet, aber du gehst an die Front. Entweder das oder ich lasse dich standrechtlich erschießen."
Im echten Leben soll Patton so etwas 1943 sogar zweimal getan haben. Sein Verhalten hatte sich bis in sein Heimatland USA herumgesprochen und damals für hässliche Schlagzeilen gesorgt. Weshalb die Spitzenmilitärs im Pentagon den Vier-Sterne-General, der sich kurz zuvor bei einem Einsatz in Sizilien noch im Glanz seiner Erfolge sonnen durfte, von seinem Posten abberufen und kaltstellen.
Anhänger des US-amerikanischen Militärs nehmen Anfang der Siebzigerjahre vermutlich etwas anderes aus dem Film mit. Zum Beispiel Richard Nixon, der sich "Patton" in Privatvorführungen im Weißen Haus anschaut. Regisseur Oliver Stone, der sich intensiv mit dem damaligen US-Präsidenten beschäftigt hat, beschreibt in einem Begleitvideo zur DVD-Ausgabe des Films, welche Konsequenzen das aus seiner Sicht hat:
"Nixon hat ‘Patton’ mehr als einmal gesehen. Er ist einer der wenigen Filme, die die amerikanische Geschichte unmittelbar beeinflusst haben. Ich glaube wirklich, es war ‘Patton', der Nixon im April 1970 dazu brachte, die Entscheidung zu treffen, in Kambodscha einzumarschieren, um den Vietnamkrieg auszuweiten.
In seiner Fernsehansprache begründet Nixon den Angriff auf Kambodscha damals so:
"Wenn sich die mächtigste Nation der Welt wie ein bemitleidenswerter, hilfloser Riese verhält, sobald es hart auf hart kommt, werden Totalitarismus und Anarchie freie Nationen auf der ganzen Welt bedrohen. Und allen anderen Nationen wird klar werden, dass auf die USA trotz ihrer überwältigenden Macht in Krisenzeiten kein Verlass ist."
Im Jahr zuvor hatte Nixon bereits geheime Bombenangriffe auf Ziele in Kambodscha befohlen. Im Frühjahr 1970 schickt er zusätzlich Bodentruppen von Vietnam aus über die Grenze in das offiziell neutrale Land. Der Einsatz spielt am Ende den Roten Khmer in die Hände, die auf wachsende Sympathien in der Bevölkerung für ihren Guerillakrieg gegen das Establishment stoßen. Doch als sie die Macht übernehmen, beginnt eine vierjährige Schreckensherrschaft.
"Das Ergebnis: Es wurden zwei, drei Millionen Kambodschaner abgeschlachtet. Es gibt keinen anderen Film, der direkt zu Völkermord geführt hat", so Oliver Stone.
Zumindest der Filmemacher ist davon überzeugt.
Bei der Musik von "Patton" ergab sich Kommandant Noriega
So wie der Spielfilm wirkte auch der "Patton"-Soundtrack nach. Komponist Jerry Goldsmith, der bei den Oscars nominiert worden, aber leer ausgegangen war, erzählt später im Begleitvideo zur DVD-Ausgabe des Films von zwei bizarren Einsätzen 1989 und 1991.
"Bei ‚Desert Storm‘ spielte man diese Musik beim Einmarsch der Truppen in den Irak. Und als Marineinfanteristen Noriega in Gewahrsam nehmen wollten, er sich aber verschanzt hatte, wurde er zunächst tagelang mit Rock’n’Roll beschallt. Erst als man den Soundtrack von ‘Patton’ spielte, kam Noriega raus."
Bis hin zu Donald Trump, der 2017 seinen ersten Verteidigungsminister, den Vier-Sterne-General Jim Mattis, in einer Wahlkampfrede mit den Worten anpries:
"They say he is the closest thing to General George Patton that we have. And it’s about time. It’s about time."
Politischer Querkopf, narzisstischer Selbstdarsteller und manischer Truppenführer: So wurde George Patton von George C. Scott gespielt. (Filmszene)© picture alliance / Ronald Grant Archive / Mary Evan
Was auch immer Trump damit meinte, der Spielfilm "Patton" liefert keine schlichte Deutung der historischen Figur ab, sondern ist eine komplexe Charakterstudie. Sie entstand auch nicht auf dem Reißbrett, sondern im Laufe von zwei Jahrzehnten durch die hartnäckige Arbeit des Produzenten Frank McCarthy. Nicholas Sarantakes, Autor des Buchs "Making Patton", sagt:
"Ich habe nachgerechnet. Es waren 19 Jahre und ein paar Monate und ein paar Tage. Solch eine Hingabe an ein Projekt ist in der Filmindustrie eine Rarität."
Produzent Frank McCarthy ist im Zweiten Weltkrieg Offizier im Stab von George C. Marshall, dem damals ranghöchsten General im Pentagon. In den Jahren danach geht er nach Hollywood und heuert bei 20th Century Fox an. Zu seinen persönlichen Ambitionen gehört es, ein Kinoporträt des berühmten Panzergenerals Patton auf die Leinwand zu bringen. Was einfacher klingt, als es tatsächlich war, denn die Familie des verstorbenen Generals hatte kein Interesse an einem Spielfilm:
"Pattons Witwe lebte noch, aber war nicht an dem Projekt interessiert. Seine Töchter und ein Sohn ebenfalls nicht. Aber McCarthy machte weiter."
Kostbares Material: Pattons Kriegstagebuch als Grundlage
Erst eine Biografie, die 1964 erscheint, ein 800 Seiten dickes Buch mit dem Titel "Patton - Ordeal and Triumph" bringt neues Leben in McCarthys Projekt: Der schwere Wälzer wird ein publizistischer Erfolg. Die "New York Times" stuft das Buch von Ladislas Farago als die "bei Weitem längste, detaillierteste und weitestreichende Studie der facettenreichen Persönlichkeit" Patton ein.
Faragos Buch ist auch deshalb so gut, weil der Spezialist für Militärgeschichte und die Arbeit der Nachrichtendienste eine ungewöhnliche Quelle anzapfen kann. Er hat eine Kopie von Pattons unveröffentlichtem Tagebuch aus den Kriegsjahren. Sein Sohn John Farago erinnert sich an die Aufzeichnungen, die der General seinem Sekretär, einem Unteroffizier namens Joseph D. Rosevich, diktiert hatte. Was sein Vater dann in die Hände bekam, war die Durchschrift, die Rosevich nach dem Krieg mit nach Hause genommen hatte:
"Mehrere tausend Seiten hauchdünnes Papier. Ein riesiger Stapel. Mein Vater hat von der Existenz des Tagebuchs erfahren. Und ihm war klar, dass das potenziell enorme Marktchancen hatte. Denn Patton war berühmt."
Farago lässt sich von seinem Projekt auch nicht abbringen, als es zu einem Rechtsstreit mit den Erben des Generals kommt. Und so kann er die Filmrechte des Buchs für 75.000 Dollar an 20th Century Fox verkaufen. Ein hübscher Bonus. Die Summe entspricht einem heutigen Betrag von mehr als einer halben Million Euro.
Als Drehbuchautor gewinnt die Produktionsfirma den jungen Francis Ford Coppola. Der hat gerade die Filmschule in Los Angeles absolviert und ist Produzent Frank McCarthy als ungewöhnlich kreatives Talent aufgefallen.
"Als George C. Scott das gelesen hat, sagte er: Diesen Film will ich machen", so Historiker Nicholas Sarantakes. "Es sind drei Bausteine, durch die ein überdurchschnittlicher Film entsteht: das Drehbuch, die schauspielerische Leistung von George C. Scott und die Regie von Franklin Schaffner."
Ein Vier-Sterne-General, der an Reinkarnation glaubt
Inspiriert von Faragos Biografie, die sich auf Pattons bis dahin unveröffentlichtes Tagebuch stützen konnte, hatte Coppola es geschafft, die ganze Widersprüchlichkeit des Generals zu skizzieren: Sohn einer Familie, in der es schon vor ihm viele Offiziere gab, der von einer antiquierten Romantik über das Führen von Truppeneinheiten beseelt ist. Und der deshalb am liebsten direkt an der Front auftaucht, um seine Untergebenen anzutreiben. Der ernsthaft an Reinkarnation glaubt und deshalb standfest behauptet, er habe in vorangegangenen Kriegen an zahlreichen Schlachten teilgenommen. Unter Alexander dem Großen zum Beispiel und unter Napoleon. Und im zweiten Jahrhundert vor Christi im Dritten Punischen Krieg in Nordafrika. Was auch im Film angesprochen wird:
"Das Schlachtfeld war hier. Die Karthager wurden von drei römischen Legionen angegriffen, kämpften stolz und tapfer. Aber sie konnten ihre Stellungen nicht halten und wurden massakriert. Vor 2000 Jahren. Ich war hier."
Ein Mann, der als junger Kavallerie-Offizier so gut reiten, schießen und fechten konnte, dass er bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm im Modernen Fünfkampf den fünften Platz belegte. Und der schon früh Gedichte schrieb. Auch diese Seite von Patton zeigt der Film:
"In all diesen Jahrhunderten, inmitten des Prunks und der Quälerei und den vielen Kriegen, war ich dabei, habe gekämpft und bin zahllose Male umgekommen. Ich sehe mich dunkel, wie durch Glas, in unterschiedlichen Gestalten und mit unterschiedlichen Namen. Aber immer ich. Kennst du den Dichter? Das bin ich."
"Ich war fasziniert von ihm – von dem Mann wie auch dem Truppenführer", sagt Colonel Gibby über George Patton.© West Point / Elizabeth Woodruff
Frühjahr 2021, 50 Jahre nach der Oscar-Verleihung. Ein Abstecher in die altehrwürdige Militärakademie von West Point, zwei Stunden außerhalb von New York. Hier wurde George S. Patton Anfang des 20. Jahrhunderts zum Offizier ausgebildet. Hier hat man ihm ein überlebensgroßes Bronze-Denkmal gesetzt. Und hier unterrichtet seit fünf Jahren Oberst Bryan Gibby die Kadetten im Fach Geschichte. Ein Mann mit einer ganz besonderen Beziehung zum Film "Patton".
"Ich war zwölf, als ich diese überlebensgroße Figur kennenlernte – als der Film ‚Patton‘ im Fernsehen gezeigt wurde – und habe ihn mir immer wieder angesehen, sobald er im Fernsehen lief", sagt Gibby.
"Ich war fasziniert von ihm – von dem Mann wie auch dem Truppenführer. Das passiert in dem Alter, wo man nicht wirklich versteht, was es bedeutet, im Krieg Befehle zu erteilen und für das Leben von Männern verantwortlich zu sein und letztendlich auch für die Zerstörung, die der Krieg mit sich bringt."
Fasziniert von einem Mann mit Marotten – wie dem Glauben an Reinkarnation. Was Gibby, der sich mit vielen Details aus Pattons Biografie beschäftigt hat, für glaubwürdig hält:
"Ich denke, er hat das wirklich geglaubt. Es gibt keine Beweise dafür, dass er versucht hat, Leuten etwas vorzutäuschen. Er glaubte, dass er diese vorherigen Lebenserfahrungen gehabt hatte, was ihn darauf vorbereitete, was er als das größte Unterfangen ansah: seinen Einsatz im Zweiten Weltkrieg."
Der Film, sagt Gibby, verfälsche nur in kleinen Details die historische Wahrheit. Und das auch nur, um die Handlung geradliniger zu erzählen. Bei allem Wert auf Präzision haben ihn diese Abweichungen noch nie gestört: "Ich denke, dass es die Zuschauer langweilt, wenn ein Film zu sehr ins Detail geht."
Der Mann, der das besetzte Paris befreite
Zumal die besonderen militärischen Fähigkeiten des echten Patton im Film stimmig wiedergegeben werden. Nach Einsätzen in Nordafrika und Sizilien habe er im Juni 1944 endlich eine Aufgabe erhalten, die ihm wie auf den Leib zugeschnitten sei, sagt Colonel Gibby: das Kommando über die Dritte Armee in der Normandie. Eine Einheit mit rund 100.000 Soldaten, 13 Panzerdivisionen und Luftlandetruppen, die mit einem erstaunlichen Tempo innerhalb weniger Monate Paris befreit und erst an der Grenze zum Saarland auf stärkeren Widerstand stößt. Eine Einheit, die auf ihrem Weg dahin eine Million Wehrmachtsangehörige gefangen nimmt.
"Es gab keinen anderen Offizier, den wir wirklich damit hätten betrauen können. Patton war die personifizierte Aggressivität pur. Initiative übernehmen, Risiken eingehen, dreist sein. Und zwar, wo immer es nur geht. Nach dem Motto: Du musst jeden Stillstand vermeiden."
Im Winter 1944/45 sorgt er mit einem Gewaltmarsch zweier Panzer- und zweier Infanterie-Divisionen dafür, dass Tausende eingekesselte US-amerikanische Fallschirmjäger aus der belgischen Stadt Bastogne befreit werden.
Kaum ist der Krieg zu Ende und Patton regiert als Militärgouverneur das besetzte Bayern, zeigen sich einmal mehr seine negativen Seiten. Statt eine intensive Entnazifizierung zu betreiben, holt er zahllose NSDAP-Mitglieder zurück in die Gesellschaft und lässt sie für den Wiederaufbau arbeiten. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er am liebsten so schnell wie möglich den nächsten Krieg anzetteln möchte. Diesmal gegen einen der Alliierten: die Sowjetunion.
Doch Patton stirbt wenige Wochen später im Alter von 60 Jahren nach einem Verkehrsunfall in Mannheim an den Folgen der schweren Verletzungen – kurz nachdem er von der US-Militärführung auf einen unbedeutenden Posten ins hessische Bad Nauheim abgeschoben worden war. Weil er kein Blatt vor den Mund nahm, schien er für wichtige Aufgaben in Deutschland nicht mehr tragbar.
George Patton, hier 1945 mit dem sowjetischen Marschall Gregory Zhukov in Berlin, wird bis heute in den USA als Held verehrt.© picture alliance / Everett Collection
Der Film verzichtet aus dramaturgischen Gründen auf dieses traurige Ende. Und lässt stattdessen in der letzten Szene den General in ein kontemplatives Nichts hinüberwandern. Begleitet von seinen Reminiszenzen an eine andere Zeit:
"Über 1000 Jahre wurden römische Eroberer nach der Heimkehr vom Krieg mit einem tosenden Triumphzug empfangen. Mit ihnen zogen benommene Gefangene in Ketten durch die Straßen. Manchmal standen die Kinder des Eroberers in weißen Kleidern an dessen Wagen. Hinter ihm ein Sklave, der eine goldene Krone hielt und ihm eine Warnung ins Ohr flüsterte: Aller Ruhm ist vergänglich."
Doch nicht aller Ruhm, denn sonst gäbe es wohl nicht solche Erinnerungsstätten wie das "General George S. Patton Memorial Museum" in der Nähe von Palm Springs in Kalifornien, das "General George Patton Museum" in Fort Knox in Kentucky und zwei Museen in Europa, die seinen Namen tragen – in Frankreich und Luxemburg, wo der General nach seinem Tod im Dezember 1945 auf dem großen US-amerikanischen Soldatenfriedhof beigesetzt wurde. Ein Ereignis, über das sogar die Wochenschau berichtet:
"Trauer um General George S. Patton, den impulsiven Kommandeur der berühmten Dritten Armee, die auf den Schlachtfeldern Europas alles wegfegte, was sich vor ihr auftat. Seine sterblichen Überreste kehren in das Herzogtum Luxemburg zurück, das seine Armee vor einem Jahr befreit hatte. Der General hatte zwei Kriege überlebt, um nun an den Verletzungen eines Autounfalls zu sterben."
"Er sieht nicht wie mein Vater aus. Aber er hat ihn getroffen"
Sein Andenken zu bewahren, ist inzwischen auch Sache der Enkelgeneration. Zu der Helen Patton gehört, eine Schauspielerin, die nach ihrer Ehe mit einem deutschen Arzt in Rheinland-Pfalz ein zweites Zuhause fand. Mit dem Film ist ihre Familie im Reinen. Und das schon, als Helens Eltern und ihr ältester Bruder sich ihn in einem New Yorker Kino 1970 zum ersten Mal ansahen. Helens Mutter Joanne erinnert sich ein halbes Jahrhundert später an die Reaktion ihres Mannes, den Sohn Pattons, der ebenfalls in der US-Armee zum General aufstieg.
"Die Familie hat damals den Film über General Patton nicht unterstützt, weil meine Schwiegermutter gegen jede fiktionalisierte Darstellung war. Aber natürlich waren wir neugierig. Und schon ziemlich früh in der Vorstellung konnte ich dann sehen, dass mein Mann sehr bewegt von dem war, was er da auf der Leinwand sah. Und hinterher sagte er: ‘Er sieht nicht wie mein Vater aus. Seine Stimme klingt nicht wie mein Vater. Aber er hat ihn getroffen.’"
Sogar eine Patton-Oper ist im Gespräch
Die Enkelin möchte die Erinnerung an ihren Großvater auf mannigfache Weise wachhalten. Unter anderem, indem sie die Arbeit von Museen und Gedenkstätten unterstützt. Gut möglich, dass sie auch mit ihrem Bruder Robert an einem Filmprojekt arbeiten wird.
"Mein Bruder hat einen fantastischen Bericht über meinen Großvater mit dem Titel 'The Pattons - a Personal Family History‘ veröffentlicht. Und er hat ein unglaubliches Drehbuch für eine siebenteilige Miniserie geschrieben. Da geht es um die Zeit vor dem Krieg. Sie heißt 'Georgie'."
Eine weitere Idee trug das Opernhaus in Naples in Florida an sie heran. Dort würde man gerne eine Patton-Oper auf die Bühne bringen.
Der Stoff scheint unerschöpflich. Selbst Ladislas Farago, der Autor, dessen Biografie das Fundament für den Hollywoodklassiker lieferte, machte sich kurz vor seinem Tod noch einmal an die Arbeit und schrieb "The Last Days of Patton". Sein Buch über die letzte Lebensphase des Generals ist später fürs Fernsehen verfilmt worden. Und zwar erneut mit George C. Scott in der Hauptrolle – dem einzigen Darsteller, dem man einen Patton in Überlebensgröße auch wirklich abkauft.
Mitwirkende:
Autor: Jürgen Kalwa
Es sprachen: Max Urlacher, Birgit Paul, Alexander Radszun
Regie: Stefani Lazai
Technische Realisation: Hermann Leppich
Redaktion: Susanne Arlt